Die Schlussfolgerungen des dritten Teils des sechsten IPCC-Berichts sind schonungslos. Wie Jim Skea, Professor am Imperial College London und Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat, sagt:„Wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen, ist jetzt oder nie der richtige Zeitpunkt. Ohne sofortige und deutliche Emissionsreduktionen in allen Sektoren wird dies nicht möglich sein”. Daher müssen alle Wirtschaftssektoren (Verkehr, Gebäude, Energie, Lebensmittel, …) ab sofort Programme zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe nicht nur in Betracht ziehen, sondern auch umsetzen und massiv in diese investieren (etwa sechsmal so viel).
Wir können es schaffen. Aber was wir verstehen müssen, ist, dass der Wandel vor uns liegt: Entweder wir bewegen uns auf einen Kurs zu, der uns in die Katastrophe führt, oder wir ergreifen die notwendigen Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen müssen. [...] Wir bitten alle, die uns zuhören, sich diese Botschaft zu Herzen zu nehmen und zu den Menschen zu gehören, die sich für diesen Wandel einsetzen. Andernfalls werden wir es nie schaffen.
Julia Steinberger, auteure principale du sixième rapport du GIEC et professeure à l’université de Lausanne, avril 2022
Derzeit setzt die Schweiz keinen konkreten Plan um, um ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wie Frau Sommaruga im Oktober 2021 sagte: „Wenn wir jahrelang diskutieren, werden wir unsere Ziele nicht erreichen„.
Den Schweizern drohen Energieknappheit und Stromausfälle in diesem Winter. Der Krieg in der Ukraine treibt seit Februar 2022 ganz Europa in eine schwere Energiekrise, die schon seit einiger Zeit auf dem Kontinent lauerte.
Grund dafür? Der schlechte Umgang mit Ressourcen und die „völlig rücksichtslose“ Nutzung von Energie sowie die extreme Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Ländern bei der Versorgung, sei es mit Gas (insbesondere russischem), Öl oder Strom. Derzeit ist die Schweiz nur zu 10% energieautark.
Um auf diese Krise zu reagieren, setzt der Bundesrat auf individuelle und freiwillige Initiativen. Ende August 2022 startete der Bund in Zusammenarbeit mit EnergieSchweiz die Kampagne Nicht verschwenden, um die Bevölkerung zum Energiesparen zu sensibilisieren und kurzfristige Verhaltensänderungen herbeizuführen. Die Heizung herunterdrehen, mit geschlossenem Deckel kochen, das Licht ausschalten oder sich sogar mit Kerzen und Holz bewaffnen: so lauten einige Massnahmen.. Zusätzlich zu diesen kleinen Tipps plant Bern, im Notfall Gas- oder Ölkraftwerke einzusetzen. Im Ernst? Wenn man bedenkt, dass angesichts der Gefahr von Engpässen, steigenden Preisen und vor allem angesichts der grossen und existenziellen Risiken, die die Klimakrise mit sich bringt, die einzige langfristig tragfähige Lösung darin besteht, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen so schnell wie möglich zu verringern.
In der Schweiz machen Gebäude die Hälfte (45%) des gesamten Energieverbrauchs aus. Sie sind die zweitgrösste Quelle von CO2-Emissionen, gleich nach dem Verkehr, der etwa 33% der gesamten CO2-Emissionen verursacht. Trotz eines starken Rückgangs im Vergleich zu 1990 liegen die Emissionen von Gebäuden in der Schweiz über dem EU-Durchschnitt.. In den Haushalten gehen zwei Drittel der Endenergie in die Heizungen, die zum grössten Teil noch mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
Somit sind Gebäude wahre Energiefresser. Dies wirkt sich sowohl auf das Klima als auch auf die Bewohner aus. Mit steigenden Energiepreisen geraten die ärmsten Menschen in eine riskante Situation. Aufgrund fehlender Mittel könnten sie nicht mehr heizen. Laut dem Energieingenieur Marc Müller könnte ein Teil der Bevölkerung in die Energiearmut abrutschen.
Der Klimanotstand erfordert ein dringliches Handeln. Das ist die Botschaft der AEE Waadt, dem kantonalen Dachverband der Spezialisten für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
24 Heures, mai 2022
Energieeffizienz bezeichnet die rationelle Nutzung von Energie, d. h. Einsparungen und Verringerung des Verbrauchs. Sie unterscheidet sich von erneuerbaren Energien. Eine hohe Energieeffizienz birgt viele Vorteile.. Sie senkt den Energieverbrauch, reduziert die Treibhausgasemissionen, erhöht die Energieunabhängigkeit und senkt die Kosten. Durch eine bessere Wärmedämmung können bis zu 60% der Heizkosten eingespart werden,. was wiederum zu einer geringeren Nachfrage und damit zu niedrigeren Preisen führt.
Um die Energieeffizienz zu steigern, ist die Sanierung des bestehenden Gebäudebestands eine einfache und notwendige Massnahme, die ein sehr grosses Potenzial birgt. Dies ist eine der wichtigsten Massnahmen, die von den Wissenschaftlern des Weltklimarats (IPCC) vorgeschlagen werden. Durch die Isolierung werden die Wärmeverluste im Vergleich zur Ausgangssituation, in der die Isolierung völlig fehlt, um fast das Fünfzehnfache reduziert. Nicht zuletzt reicht es für einen nachhaltigen Strukturwandel nicht aus, fossile Heizungen durch andere Systeme wie Wärmepumpen zu ersetzen, wenn nicht gleichzeitig die Gebäudehülle optimiert wird (siehe auch energie-environment.ch für weitere Informationen zu diesem Thema).
Die gesetzlichen Grundlagen für energetische Sanierungs- und Übergangsprogramme werden mit dem Energiegesetz, dessen Ziel es ist, eine sparsame und effiziente Nutzung von Energie zu gewährleisten, und das GebäudeprogrammDas Ziel des Bundes und der Kantone ist es, „…den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen des Schweizer Immobilienbestands2 deutlich zu senken”.
Das Energiegesetz besagt: „Stellt sich heraus, dass die Energieversorgung der Schweiz langfristig nicht ausreichend gesichert ist, so schaffen Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten rechtzeitig die Voraussetzungen, um die erforderlichen Produktions-, Netz- und Speicherkapazitäten sicherzustellen.”
Die Gebäudesanierung ist eine wesentliche Maßnahme, wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will. Derzeit sind eine Million Häuser dringend renovierungsbedürftig. Beim derzeitigen Tempo würde es 100 Jahre dauern, um den gesamten Gebäudebestand der Schweiz zu sanieren. Tatsächlich liegt die Renovierungsrate der bestehenden Gebäudehülle bei 1 % pro Jahr. Um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen, müsste dieser Prozentsatz verdoppelt odersogar verdreifacht werden. Dazu müsste die derzeitige finanzielle Unterstützung verfünffacht werden. Um dies zu erreichen, plädiert der Schweizerische Baumeisterverband für den Abbau von Hindernissen und fordert, die Baugenehmigung für Sanierungen zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aus der Gebäude und Bildungsbranche, ihre Branche liegt mir am Herzen, Sie gestalten die Zukunft. Nur mit Ihnen und dank Ihnen können wir unsere Klima- und Energieziele überhaupt erreichen.
Simonetta Sommaruga, février 2022
Die Erreichung der Energie- und Klimaziele des Bundes hängt weitgehend vom Bausektor ab, der stark gefordert sein wird und über genügend Arbeitskräfte verfügen muss. Allerdings droht dem Sektor ein Mangel an Fachkräften. Als Reaktion auf dieses Problem haben sich die Baubranche, Bildungsinstitutionen und der Bund zusammengeschlossen und im Februar 2022 eine Bildungsoffensive der Baubranche gestartet.. Die Offensive setzt sich das Ziel, „genügend kompetente Fachkräfte auszubilden, die für die Erreichung der Energie- und Klimaziele der Schweiz im Bausektor[afin que] zur Verfügung stehen, [damit] der Bedarf […] [puissent]schnell und kompetent gedeckt werden [kann]”. Das Programm enthält jedoch keine Ambitionen und quantifizierten Ziele. Um dem Mangel an Arbeitskräften angesichts der Dringlichkeit und des Ausmasses der Massnahmen im Bausektor zu begegnen, schlägt Marc Müller vor, die Armee und den Zivildienst einzusetzen, um die Gebäude dringend zu isolieren. Der Energieingenieur schlägt ausserdem vor, die Umschulung von Erwachsenen zu erleichtern. Diese Idee wird von der grünen Abgeordneten Delphine Klopfenstein Broggini.
Wir brauchen Investitionen, aber die Investitionen haben wir. Derzeit stellen wir Subventionen für fossile Energieträger bereit, das sind Summen, die man abzweigen könnte.
Julia Steinberger, auteure principale du sixième rapport du GIEC et professeure à l’université de Lausanne, avril 2022
Instandhaltung, Renovierung und Entwicklung im Bau- und Gebäudesektor sind absolut wichtig, kosten aber viel Geld. Laut Professorin Julia Steinbergermangelt es nicht am Geld, sondern an Investitionen und Entscheidungen. Für Für Simonetta Sommaruga lohnen sich diese Investitionen, da sie der Wirtschaft zugutekommen.
Christian Zeyer, Direktor von Swisscleantech, hat seinerseits einen ganz konkreten Vorschlag. Er schlägt vor, einen Fonds zu nutzen, der von Versicherungen, Pensionskassen und Banken gespeist wird. Die Schweizerische Nationalbank zum Beispiel hat jedes Jahr ausschüttbare Gewinne (zwischen 6 und 40 Milliarden), die der öffentlichen Hand zugutekommen, wobei mindestens zwei Drittel davon an die Kantone gehen.
In wirtschaftlicher Hinsicht erkennt das Bundesamt für Wohnungswesen die Schwierigkeit, soziale und ökologische Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Um zu vermeiden, dass Renovierungsarbeiten die Ausgaben insbesondere von Personen mit niedrigerem Einkommen belasten, betont es, dass man sich bemühen sollte, „Energieeinsparungen und erschwinglichen Wohnraum miteinander zu vereinbaren”. „. Im Hinblick auf den Schutz der Mieter vor Mieterhöhungen infolge der Sanierung ihrer Wohnungen schlägt dieAsloca Genf für den Kanton die Idee vor, sich auf das Genfer Gesetz über Abbrüche, Umbauten und Renovationen von Wohnhäusern (LDTR) zu stützen.
Schliesslich ist zu erwähnen, dass Unterhalt, Renovation und Entwicklung im Bausektor eine grosse Wertschöpfung im Land generieren, indem sie Arbeitsplätze schaffen und lokale Investitionen tätigen, die Schweizern Unternehmen zugute kommen.
Im Juli 2022genehmigte die deutsche Regierung einen "Sonderfonds für Klima und Transformation".In den nächsten vier Jahren sollen 177,5 Milliarden Euro investiert werden, um den Übergang zu einer sauberen, weniger von fossilen Brennstoffen abhängigen Wirtschaft zu beschleunigen. Mit diesem Plan investiert Deutschland bis 2026 insgesamt 56,2 Milliarden Euro in die Energieeffizienz von Gebäuden. In der Schweizwurden bis 2021 126 Millionen Franken in die Renovierung investiert. Im September 2022hat das Parlament im Rahmen des Gegenvorschlags zur Gletscher-Initiative beschlossen, in den nächsten 10 Jahren 2 Milliarden für den Heizungsersatz und die Wärmedämmung von Gebäuden bereitzustellen. Das heisst 200 Millionen Franken pro Jahr, anstatt der Milliarde, die allein für die Wärmedämmung benötigt wird.